Ein paar Gedanken über mich, über späte Antworten, über Autismus – und darüber, warum Worte manchmal der Anfang von allem sind.
Ich bin Ela. 35 Jahre alt. Spät diagnostiziert – und, wie ich manchmal mit einem halben Lächeln sage: zertifiziert autistisch. Natürlich klingt das nach Formularen, nach Akten, nach einem grauen Stempel auf weißem Papier. Doch worum es mir wirklich geht, ist etwas anderes: Ich darf heute sagen, wie ich bin. Ich darf das nicht nur – ich kann es auch. Und es ist in Ordnung, genau so zu sein, wie ich bin. Jenseits von Normen und Erwartungen, jenseits der vielen kleinen Regeln, die einem von klein auf einflüstern, wie man angeblich zu funktionieren hat.
Die Diagnose war kein Abschluss, sondern vielmehr ein leiser Auftakt – kein Paukenschlag, eher ein langsames Aufdrehen der Lautstärke für etwas, das längst da war. Sie hat nicht alle Fragen beantwortet, aber viele Ahnungen bestätigt. Sie hat mir erlaubt, mein Leben rückwärts neu zu betrachten: Episoden, die einst diffus und bruchstückhaft wirkten, fügten sich allmählich zu einem Bild. Zugleich wurde sichtbar, wo Grenzen verlaufen – in Systemen, die Menschen nach Kriterien sortieren, die ihnen nicht gerecht werden, in starren Strukturen, die wenig Platz lassen für das Unvorhersehbare, und nicht zuletzt in mir selbst, wo manches lange unbenannt bleiben musste.
Denn mein Autismus war nicht nur eine späte Antwort. Er war ein Innehalten, ein Riss in der Oberfläche, ein langsames Wieder-Zusammensetzen dessen, was ich über mich dachte. Und doch – oder gerade deswegen – habe ich gelernt, dass ich manches wirklich gut kann: feine Unterschiede zu spüren, wo andere nur Rauschen hören, klar zu denken, mit Worten Räume zu öffnen. Und das ist ein Teil von mir, den mir niemand nehmen kann – nicht einmal eine Welt, die mich oft missversteht.
Worte als Rückzugsort – und als Resonanzraum
Schon als Kind fühlte ich mich in der Welt der Worte zuhause – ein Ort, der mir Halt gab, lange bevor ich verstand, warum. Ich erinnere mich an das Gewicht eines Stifts in meiner Hand, an das leise Kratzen auf dem Papier, an diesen ganz eigenen Geruch, den nur frisch geöffnete Notizhefte verströmen, und vor allem an das Gefühl, inmitten sprachlicher Strukturen einen inneren Raum zu betreten, in dem ich Ordnung finden konnte – eine Ordnung, die draußen oft fehlte. Sprache war nicht nur Ausdruck, sie war mein Weg, das Unfassbare greifbar zu machen, das Überfordernde zu sortieren. Sie schenkte mir Struktur – aber auch Spielraum, eine leise Möglichkeit, ich selbst zu sein.
Vielleicht ist Studio Spektrum der nächste Schritt – eine leise, aber präsente Form des Ausdrucks, die nicht durch Lautstärke auffällt, sondern durch Tiefe und Genauigkeit zwischen den Zeilen spricht. Ein Ort für Texte über das Leben mit einem anders verdrahteten Nervensystem. Besonders aus der Perspektive von spät diagnostizierten autistischen Frauen und nicht-binären Personen – deren Erfahrungen oft übersehen, übergangen oder fehlgedeutet werden.
Ich möchte hier keine Definitionen zementieren, denn Autismus ist ein Spektrum – eines mit weichen Rändern, mit Übergängen und Abstufungen, mit Brüchen und Besonderheiten. Innerhalb dieses Spektrums existieren unzählige Möglichkeiten, zu empfinden, zu denken, zu reagieren, zu handeln, zu ruhen – und jede einzelne davon verdient Würdigung, verdient Sprache, verdient einen Raum, in dem sie nicht nur Platz hat, sondern als gültig erkannt wird.
Ein Ort im Aufbau – wie ich selbst
Diese Website ist noch im Entstehen – unvollständig, ja, aber getragen von einer klaren Absicht. Ich wünsche mir, dass sie sich entfalten darf, nicht bloß als Projekt mit Anfang und Ende, sondern als lebendige Haltung: als ein Raum, der Gedanken schützt, Einblicke teilt und jene willkommen heißt, die sich in den üblichen Erzählungen nicht wiederfinden – weil ihre Sprache fehlt oder weil sie leiser klingt als die anderen.
Willkommen bei Studio Spektrum – einem Ort, an dem du sein darfst, wie du bist, ohne dich anpassen zu müssen; und an dem auch ich, mit allem, was mich ausmacht, einfach da sein darf.
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