Geld ist kein Ziel – sondern ein Werkzeug
Es gibt Monate, da sehe ich das Geld kommen und gehen, ohne es wirklich zu berühren. Es fließt wie Wasser durch ein System, das ich eingerichtet habe, um es nicht ständig anfassen zu müssen. Denn zu viel Berührung überfordert mich – auch auf dieser abstrakten Ebene. Entscheidungen, insbesondere die kleinen, rauben mir ständig Energie: Was ist günstig? Ist das wirklich ein Angebot? Lohnt sich das überhaupt?
Deshalb wähle ich lieber stets das Gleiche. Also das, was ich bereits kenne oder das, wofür ich nicht spontan neue Urteile fällen muss.
Für mich ist Geld wenig emotional. Vielmehr ist es ein neutrales Mittel, ein Werkzeug, das mir erlaubt, Strukturen zu schaffen, Sicherheit aufzubauen und notwendige Distanz zu wahren. Ich habe nie richtig gelernt, mit Geld umzugehen – zugegeben, meine Eltern wussten es auch nicht. Geldgespräche gab es kaum, geschweige denn gemeinsame Budgetplanungen. Ich musste es mir Schritt für Schritt selbst beibringen.
Finanzen im autistischen Alltag: Zwischen Reiz und Kontrolle
Der Supermarkt ist für mich kein Ort langer Überlegungen. Ich weiß genau, was ich brauche, was es kostet und was meinem Körper guttut. Die Linie ist klar gezogen, und ich halte mich strikt daran – nicht aus Geiz, sondern weil ich mich sonst in endlosen Entscheidungen verliere: in Farben, in Preisen, in Gedankenketten ohne Ende.
Mein selbst gesetztes Budget überschreite ich selten. Einmal im Monat prüfe ich gewissenhaft meine Kontostände. Ausnahmen gönne ich mir, jedoch immer geplant, nie impulsiv. Solche Rituale helfen mir dabei, dass mich das Thema Geld nicht überfordert oder unkontrolliert meinen Kontostand angreift.
Darf ich investieren?
Investitionen sind ein eigenes Kapitel. Natürlich weiß ich, dass ich mehr aus meinem Geld machen könnte – ETFs, Indexfonds und langfristige Anlagen sind keine Zauberei. Doch allein die Recherche, das Abwägen und die Unübersichtlichkeit der Angebote halten mich häufig zurück. Das Potenzial ist da, doch oft fehlt mir die Energie, mich umfassend damit zu beschäftigen. Ich brauche eine klare Kosten-Nutzen-Relation. Etwas muss mir innere Ruhe schenken, nicht nur rational sinnvoll sein.
Selbstbestimmung bedeutet finanzielle Souveränität
Manchmal begleitet mich die Angst, finanziell alles zu verlieren. Nicht, weil ich verschwenderisch lebe, sondern weil ich weiß, wie schnell ein System Menschen wie mich fallen lassen kann. Institutionen vertraue ich ungern in finanziellen Angelegenheiten – ich möchte verstehen, was mit meinem Geld geschieht.
Mein Ziel ist es, unabhängiger zu werden, ohne mich in Risiken zu verlieren. Langfristiges Denken konkurriert oft mit den kurzfristigen Anpassungen meines Alltags. Ein Teufelskreis, der mich beschäftigt.
Doch eines habe ich in den letzten Jahren verstanden: Geld selbst ist kein Ziel. Vielmehr ist es ein Werkzeug, um Ruhe und Entscheidungsfreiheit zu schaffen, ein Puffer zwischen mir und einer Welt, die oft hektisch und fordernd ist.
Vielleicht beginnt finanzielle Selbstbestimmung nicht bei einem ETF-Portfolio. Vielleicht beginnt sie damit, Geld als etwas zu betrachten, das uns dienen darf – nicht, um uns zu optimieren, sondern um uns unabhängig von kapitalistischen Zwängen zu unterstützen.
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